Der Schneemann mit Freund(in) und Feind

„In mir knackt es ganz prächtig, es ist so wunderbar kalt!“ sagte der Schneemann „die Glühende da, wie sie glotzt“. Damit meinte er die Sonne, die gerade unterging. Da stand er mit seinem Topf als Hut, Mohrrübe als Nase und dem Raben auf dem Arm und freute sich des Lebens. Er wanderte durch den Winterwald und traf eine Schneefrau, die mit Mütze und Schal bewaffnet, sich an einem Besen festhielt. „Komm mit mir, willst Du meine Freundin werden- so, wie die Sonne meine Freundin ist?“

„Die Sonne kann nicht deine Freundin sein!“, sagte die Schneefrau und kam ganz nah zu ihm heran. „Doch, schau nur, da haben wir sie jetzt von der anderen Seite!“. Die Sonne ging unter und der Vollmond ging auf; so dachte der Schneemann, die Sonne erscheine von Neuem. „Die Sonne wird uns Beine machen, das haben mir die Tiere im Wald erzählt“, sagte die neue Schneemannfreundin und kuschelte sich an ihn. „Die da oben soll uns Beine machen? Na klar, als ich sie anstarrte, da ist sie wirklich gelaufen und jetzt schleicht sie sich von der anderen Seite heran“.

„Ach, Freund, was du meinst, ist doch jetzt der Mond, der kommt in der klaren Nacht und kann wirklich unser Freund sein.“

Und so standen sie da zusammen, am Tag mit der Sonne und in der Nacht mit dem Mond; sie wurden bewundert von den Spaziergängern und den Tieren im Wald.

Doch dann wurde die Sonne immer frecher und frecher, sie strahlte  und wärmte die Erde und den Schnee und.....

„Was macht sie denn, die Sonne?“ jammerte der Schneemann, als ihm immer wärmer wurde und er mit seiner Freundin ins „Schwitzen“ kam, „sie strahlt und lacht und doch schadet sie uns“. Der Schneemann konnte es nicht fassen, von seiner Freundin verlassen zu werden und doch konnte er es nicht ändern.

Und so standen sie da, unsere beiden Schneemänner und es taute immer mehr und sie wurden immer weniger. Sie sagten nichts mehr und klagten nicht und das ist das rechte Zeichen. Eines Morgens waren sie nicht mehr da und nur noch ein paar Dinge wie der Topf, der Besen, Mütze und Schal erinnerten an die beiden Schneemänner und ihre Freundschaft.

Der Rabe flog davon und sang:

Sei nicht verzweifelt, wenn es um´s Abschiedsnehmen geht.

Ein Lebewohl ist notwendig, ehe man sich Wiedersehen kann.

Und ein Wiedersehen - sei es nach Augenblicken,

sei es nach Lebzeiten - ist denen gewiss, die Freunde sind.

(aus "Illusionen" von Richard Bach)